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„Hiob“ im Theater Marl

Die Migrationsgeschichte Joseph Roths konnte auf der Bühne überzeugen

Am 04.02.2015 um 20:00 Uhr wurde im Theater Marl eine Inszenierung des abiturrelevanten Romans „Hiob“ vom Rheinischen Landestheater Neuss auf die Bühne gebracht. Unter der Regie von Bettina Jahnke gaben die Schauspieler 2 Stunden und 50 Minuten lang ihr Bestes, das Publikum, das hauptsächlich aus Schülerinnen und Schülern bestand, zu begeistern.

Hiob

Mit einfacher Kulisse, bestehend aus ineinander gehakten Stühlen, Holzboden und einigen Latten an den Bühnenrändern, wurden die Zuschauer nach Zuchnow, in die Stube der Familie Singer, bestehend aus Vater Mendel ( Joachim Berger), Mutter Deborah (Ulrike Knobloch), Tochter Mirjam (Sigrid Dispert) und den Söhnen Jonas, Schemarjah und Menuchim (Henning Strübbe), versetzt.

Die Familiensaga handelt von dem strenggläubigen Bibellehrer Mendel Singer und seiner Familie, mit welcher er kurz vor dem Ersten Weltkrieg in dem russischen Schtetl Zuchnow lebt. Familie Singer scheint in Russland immer weiter auseinanderzubrechen, da Jonas Soldat für den russischen Zaren wird, Schemajah vor der Rekrutierung nach Amerika flieht und Mirjam zahlreiche Affären mit Soldaten pflegt. Deshalb entschließt sich Mendel seinen jüngsten Sohn Menuchim, der Epileptiker ist, in Russland zurückzulassen und in der Hoffnung auf ein besseres Leben mit Frau und Tochter nach Amerika auszuwandern.
Doch auch dort wird Mendel Singer nicht vom Glück ereilt, da sein Sohn Schemarjah im 1. Weltkrieg fällt und auch Jonas im Krieg in Russland verschollen ist. Seine Frau Deborah stirbt daraufhin aus Verzweiflung und Mirjam wird psychisch krank. Mendel fühlt sich von seinem Gott im Stich gelassen und kehrt dem Glauben den Rücken. Erst als Menuchim, der mittlerweile gesund und erfolgreicher Dirigent eines Orchesters ist, den Kontakt zu Mendel sucht und sich um kümmert, findet er auf neue Weise zu seinem Glauben zurück.

Diese „Wiedervereinigung“ von Mendel und Menuchim, bei der im Roman eine fast überschwängliche Atmosphäre kreiert wird, wurde im Theaterstück mit einigen knappen Sätzen abgehandelt und auch an anderen Stellen waren Unterschiede zum Roman zu erkennen, so beispielsweise die Desertation Schemajahs, die in dieser Inszenierung ausgelassen wurde.

Außerdem erschien die Kulisse eher praktisch als aufwendig gestaltet. Besonders der Kulissenwechsel in der Pause von dem „Berg“ aus Stühlen im Schtetl Zuchnow hin zum jüdischen Viertel in Amerika war eher enttäuschend, da nun einzig eine Projektion einer amerikanischen Flagge mit einer Freiheitsstatue und einige Stühle, die schon im ersten Akt gebraucht wurden, als Bühnenbild dienten. Licht und Ton kamen dagegen intelligent zum Einsatz. Ergänzend zum Bühnenbild wurde jeder Szenenwechsel mit Lichteffekten gut verdeutlicht und eine Violinistin unterstrich die Stimmung jeder Szene mit harten, aber auch sanften Melodien.

Die schauspielerische Leistung ist bei keinem Akteur zu bemängeln. Alle spielten ihre Rolle durchaus authentisch, wobei Henning Strübbe alias Menuchim gesondert hervorzuheben ist. Mit glaubwürdigen Epilepsieanfällen und schwerem Gang im zweiten Akt überzeugte er die Zuschauer in besonderem Maße. Ein wenig verwirrend war allerdings, dass die Schauspieler von Jonas und Schemajah im zweiten Akt plötzlich die Freunde von Mendel Singer spielten.

Insgesamt lässt sich sagen, dass die „Hiob“-Inszenierung des Rheinischen Landestheaters Neuss für alle angehenden Abiturientinnen und Abiturienten im Fach Deutsch zu empfehlen ist, da sie eine gute Erinnerung an den Inhalt des Romans bietet, wenn auch einzelne Szenen gestrichen worden sind. Für alle diejenigen aber, die den Roman noch nicht gelesen haben, ist die Lektüre ratsam, da mehr Details enthalten sind.

Yacine Ameziane, Isabella Leis (Grundkurs Deutsch Q2)