Albert - Das Online-Magazin

Biologieunterricht mal anders

 

Aufklärung ohne Lehrer, ohne Scham vor Tabu-Fragen und ohne Enthaltsamkeit, dafür mit professionell Ausgebildeten und viel Spaß – die Pro Familia besuchte auch dieses Jahr wieder alle Klassen der Jahrgangsstufe 9, um ihnen das Thema Sexualität und alles, was damit zusammenhängt, näher zu bringen.
Am 6. Februar war es wieder so weit, die Pro Familia stattete der Klasse 9a einen vierstündigen Besuch ab, um die Jugendlichen über Sexualität in ihren unterschiedlichsten Facetten aufzuklären. Statt normalen Biologieunterricht gab es keine Lehrer, die diesen speziellen Unterricht leiteten, sondern ausgebildete Sexualpädagogen und Schwangerschaftskonfliktberater, die sich jeder noch so gesellschaftlich verbotenen Frage gewissenhaft annahmen.
Statt sich an seine gewöhnlichen Plätze im Bioraum zu setzen, war die erste Maßnahme einen großen Stuhlkreis zu bilden. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde, bei der wir erfuhren, dass unsere heutigen „Lehrer“ Frau Kaufmann, Frau Gathmann, Herr Drees und Herr Zumpe waren, wurden wir aufgefordert, fünf Kleingruppen zu bilden, bestenfalls geschlechtergemischt.

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Sie erklärten uns, dass Pro Familia eine Familienberatungsstelle ist, in der sich die unterschiedlichsten Menschen beraten lassen und Hilfe holen können. Man kann Pro Familia zum Beispiel aufsuchen, wenn man ungewollt schwanger geworden, sich aber nicht sicher ist, ob man das Kind bekommen möchte. Oder im genau gegenteiligen Fall: ein Mädchen/ eine Frau möchte schwanger werden, kann es aber nicht. Egal, was das Problem ist, in welcher Lage, gesellschaftlichen Schicht oder welchem Alter man sich befindet, jeder Mitarbeiter dort geht diskret mit dem Hilfesuchenden um, drängt ihn nicht zu Dingen, die der Klient nicht will, sondern zeigt ausschließlich die verschiedenen Optionen auf.
Bevor es richtig losging, erklärten sie die Regeln: Da wir als Schulpflichtige ja mehr oder weniger gezwungen sind, diesen Unterricht mitzumachen, auch wenn es für den einen oder anderen unangenehm ist, wurde uns ansonsten die größtmögliche Freiheit zugestanden. Wenn wir nicht mitmachen wollten, konnten wir dies sagen und bekamen Alternativaufgaben, die jedoch nicht als Strafarbeiten gewertet werden sollten, sondern einfach als alternative Beschäftigung. Wer eine Frage nicht beantworten wollte, warum auch immer, sollte dies sagen und wurde nicht weiter belästigt. Wem ein Thema zu viel wurde, durfte kommentarlos den Raum verlassen. Wer sich in irgendeiner Weise in seiner Privatsphäre angegriffen fühlte, durch ein Klassenmitglied oder die Betreuer selbst, sollte dies furchtlos sagen. Alles Gesagte bliebe in den Räumen, da sie sogar der absoluten Schweigepflicht unterliegen.
2020 02 28 ProFamilia klein0005Nach dieser Ansprache ging es dann aber auch mit den Aufgaben und dem für uns interessanten Teil weiter.
Jede Gruppe erhielt einen Zettel, auf dem drei Spalten zum Ausfüllen waren: die Kopfzeile erhielt einen Penis-Stempel, einen Scheiden-Stempel und als letztes das Wort „Sex“, Aufgabe: Schreibt innerhalb von fünf Minuten so viele verschiedene Bezeichnungen auf, wie möglich. Gesagt, getan. Bei diesem Spiel konnte ich meinen Wortschatz um einige Wörter erweitern, für die ich in diesem Zusammenhang wesentlich zu unkreativ gewesen wäre.
Das nächste Spiel beanspruchte die restliche Doppelstunde. Es hieß Sexquiz und war ziemlich selbsterklärend: Jede Gruppe erhielt 500 Punkte Startkapital, es gab sechs Kategorien mit Fragen, die in verschiedene Punkteklassen eingeteilt waren, von 20-100 Punkten. Beantwortete die Gruppe die Frage innerhalb von 45 Sekunden richtig, wurden die Punkte auf die 500 addiert, war die Antwort falsch, wurden sie abgezogen. Man konnte sich als Team immer eine Kategorie und die dazugehörige Punktezahl aussuchen. Die sechs Kategorien waren: Körper, Lust, Verhütung, Aids und andere, Gesundheit und Aktion. Aktion war besonders, weil das keine Fragen, sondern zu lösende Aufgaben waren, zum Beispiel das Sex-Alphabet, bei dem wir lernten, dass wohl auch Zauberei ein wichtiger Begriff im Sexualleben ist ;-) . Ansonsten wurden uns auch die Begriffe „Wanderhoden“ und „Petting“ erklärt.
Am Ende durften sich die Sieger jeweils entweder ein Kondom, eine Packung Taschentücher oder einen Notizblock mit einer nicht ganz jugendfreien Coverzeichnung wählen. Alle entschieden sich für Option vier, den Kuli, weil keiner irgendetwas der anderen Dinge momentan gebrauchen konnte.
Nach diesem Spiel war erstmal große Pause, nach der wir uns in eine Jungen- und eine Mädchengruppe aufteilten. Die Jungs wurden von Herrn Drees und Herrn Zumpe in den Nachbarraum geführt. In den beiden Gruppen haben wir Fragen rund um die Themen Sexualität, Beziehungen, und so weiter auf Zettel geschrieben. Diese wurden anschließend anonym in der ganzen Gruppe besprochen. Danach wurden noch verschiedene Sexualitäten, wie zum Beispiel Hetero-, Homo-,  A-, Bi- und Pansexualität geklärt.
Es wurden Dinge besprochen, die man beim ersten Mal beachten und machen sollte und welche, die besser gelassen werden sollten. Außerdem waren sowohl die positiven sowie negativen Konsequenzen davon Thema. Dann ging das Gespräch auf das Thema Dates ein: Was sind gute Orte? Was sollte man bei der Wahl davon oder überhaupt bei einem Date beachten?
Als dieses Thema vom Tisch war, widmeten die Jungs sich praxisbezogeneren  Dingen – der Kondomführerschein stand an. Über Holzpenisse unterschiedlicher Größen musste jeder ein entsprechendes Kondom ziehen. So einen Führerschein mussten wir alle schonmal in der achten Klasse im Rahmen eines Aids-Parcours machen, womit es eigentlich für alle ein Leichtes gewesen sein müsste.

Bei uns Mädchen drehte sich die Doppelstunde vor allem um eins: Verhütung.
Uns wurde zwar zuerst nochmal die genaue Bedeutung und Aufgabe der Pro Familia erklärt und was dies vor allem für Frauen und Mädchen bedeutete, unser Hauptpunkt blieb allerdings die Verhütung. Auch kam die Gruppe auf das Thema „ungewollte Schwangerschaft“ zu sprechen – Gründe, Hilfen und Lösungen wurden eingehend behandelt. Darunter auch: Was heißt es einen Schwangerschaftsabbruch zu machen?
Dazu wurden uns Gründe dafür erklärt, zum Beispiel, dass manche Mädchen sich einfach noch zu jung fühlen, um ein Kind großzuziehen oder es hat finanzielle Probleme. Außerdem lernten wir, dass jede Frau, jedes Mädchen, egal in welchem Alter, das Recht hat, frei zu entscheiden, ob es die Schwangerschaft abbrechen will oder nicht, selbst Minderjährige.

Jedoch war den Expertinnen vor allem wichtig über Verhütungsmöglichkeiten zu sprechen, so dass eine ungewollte Schwangerschaft bei keinem von uns eintrifft.
Die verschiedenen uns vorgestellten Methoden waren die Anti-Baby-Pille (genannt die Pille), der Verhütungsring, das Verhütungspflaster, die Drei-Monats-Spritze und auch kurz das Kondom.

2020 02 28 ProFamilia klein0001Nach diesen ausführlichen Gesprächen war auch die zweite Doppelstunde um. Bevor wir gingen, füllten alle noch anonyme Bewertungsbögen aus und es gab noch sogenannte Sex ´n Tipps- Broschüren, Flyer, auf denen nochmal die wichtigsten Infos zusammengefasst waren.
Vielen Dank Pro Familia für diesen sicherlich aufschlussreichen und informativen Besuch!