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Georg Büchners „Woyzeck“ im Theater Marl - eine Aufführung mit Nachhaltigkeitseffekt

Nachdem wir uns zuvor intensiv mit der Lektüre von Georg Büchner auseinandergesetzt hatten, nahmen wir, der Deutsch Leistungskurs von Frau Zarges wie auch andere Leistungs- und Grundkurse des ASGSG , die Gelegenheit wahr und besuchten am 31. Januar die Aufführung des „Woyzeck“ im Theater Marl.

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Inszeniert wurde das Stück vom Regisseur des Bochumer Schauspielhauses David Bösch, dem eine durchaus interessante, jedoch nicht vollkommen überzeugende Darbietung gelang.

Bösch interpretierte die Vorlage teilweise sehr frei, was die Zuschauer von Anfang bis Ende Augen und Ohren aufsperren ließ. Keine von Büchners Figuren stellte er in irgendeiner Weise uninteressant oder langweilig dar, ganz im Gegenteil – er setzte sie sehr extrem, meist gar überspitzt in Szene. Hatte man, wie wir, Büchners Vorlage gelesen, ging man mit einer gewissen Erwartung ins Theater, an der die Inszenierung allerdings so gut wie komplett vorbeiging. Gerechnet hatte man mit einem „klassischen“ Schauspiel, das sich eng an Büchners Fragment anlehnt und die sozialen Probleme der Zeit herausstellt. Doch man bekam eine übertriebene Darstellung psychisch gestörter Charaktere, die man sich so nie vorgestellt hätte, zu sehen.

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Der Einstieg gelang David Bösch jedoch gut, schon die erste Szene schockierte und man war von dem Geschehen gebannt: Woyzeck in einer Art Schutzanzug, auf dem Kopf einen Helm, aus dem dicke Kabel ragten, mit denen der skrupellose Doktor ihm peinigende Stromstöße verpasste. Je länger das Schauspiel andauerte, desto überraschter war man von Böschs Inszenierung. Überrascht war man auch vom Auftritt des „Tambourmajors“, den man sich, wie auch den Hauptmann, in einer typischen Uniform vorgestellt hätte, der aber aussah wie eine Art bleichgesichtiger Skinhead, der sehr energisch gespielt wurde. Ebenso wenig hätte man eine Rockband auf der Bühne erwartet, deren Leader der Tambourmajor war. Wie er wurde auch der Hauptmann als eine recht bizarre Figur dargestellt. Er trat keinesfalls wie ein stolzer Mann von hohem Rang auf, sondern bedrohte Woyzecks Kind sogar wie ein Verrückter mit einer Waffe, was Büchners Hauptmann sicherlich nicht getan hätte.

Franz Woyzeck und Marie entsprachen hingegen ungefähr meinen Vorstellungen, besonders die Darbietung der Schauspielerin der Marie, die ein auffälliges gelbes Kleid trug, gefiel mir gut. Ihre Sehnsucht nach Zuneigung und Zärtlichkeit wurde während der gesamten Aufführung sehr deutlich. Auch die Zerrissenheit und psychische Labilität Woyzecks konnte vom Zuschauer gut nachvollzogen werden.

Allerdings wirkte die Vorstellung auf mich teilweise mehr wie eine Szenerie aus einem Gruselkabinett als wie ein sozialkritisches Drama. So zog Käthe ihre scheinbar reglosen Beine hinter sich her, wobei die Großmutter mit ihrem horrorfilmähnlichen Aussehen mehr Aufmerksamkeit auf sich zog als die Geschichte, die sie erzählte. Nur Andres und Marie wirkten auf mich nicht so, als wären sie gerade einem Irrenhaus entflohen.

Trotz alledem, gerade weil man von der Inszenierung so überrascht und schockiert wurde, bleibt diese Interpretation des „Woyzeck“ jedenfalls in Erinnerung und somit auch das tragische Thema, mit dem sich Büchner befasste. 

Von Elena Hesterkamp, Jgst. 12