Albert - Das Online-Magazin

Hallo Deutschland,

nun lebe ich schon gut ein halbes Jahr im fernen Mexiko und ich fühle mich immer noch sehr wohl. Ich stehe kurz vor meinem dritten und letzten Familienwechsel und ich bin schon jetzt gespannt, in wiefern sich mein Körperfettanteil ins Schlechte verändern wird. Mein neuer Gastvater ist nämlich Besitzer einiger Restaurants und das Haus ist genau über der „Ataque“, einer der besten Taquerien der Stadt. Mein Problem ist nun, ich liebe Tacos! (was ist ein Taco? – ein Taco ist eine Tortilla gefüllt mit Fleisch, Gemüse, Käse oder alles zusammen und wird grundsätzlich mit Salsa, Zwiebeln und Limonen serviert.)

Trotzdem freue ich mich bereits und genieße noch die letzten Tage bei meiner jetzigen Familie. Bis auf einige wenige Ausnahmen wurde ich zum Glück auch noch nicht von starkem Heimweh heimgesucht. Eine dieser Ausnahmen war jedoch mein 17. Geburtstag, es ging schon los mit dem Fehlen des sonst so obligatorischen Weckens mit Geburstagskuchen durch meine Happy-Birthday-singende Familie. Im Laufe des Tages haben dann unglaublich viele deutsche Freunde und natürlich meine Familie angerufen oder mir eine Nachricht geschickt, was mir den ganzen Tag über ein mulmiges Gefühl bereitet hatte. Auch Weihnachten wollte einfach keine Weihnachtsstimmung aufkommen da ich statt am Kamin zu sitzen und Christstollen zu essen, den extra zugeschickten Stollen auf der Terrasse in kurzer Hose genoss. Diese Erfahrung wird aber wohl jeder Austauschschüler gemacht haben.

Mit meinen jetzigen Gasteltern und meinem Bruder haben wir meine anderen beiden Brüder in Monterrey besucht. Monterry ist neben Mexiko-Stadt und Guadalajara eine der drei größten Ballungszentren des Landes. Dort haben wir zum einen den Geburtstag des mittleren Bruders im Kreise der Familie gefeiert, zum anderen habe ich dort eine der schönsten Erlebnisse des Austausches erlebt. Wir waren essen in einem typischen mexikanischem Restaurant mit Tequila, Chilis etc. und Mariachis (die berühmten Musiker mit den extra-großen Sombreros). Als diese dann Wind davon bekommen haben, das ein Ausländer anwesend ist, sind sofort alle neun zu unserem Tisch gekommen und haben mich gefragt, ob ich denn Spanisch sprechen könne und falls ja, ob ich denn schon ein Lieblingslied habe. Dieses (Luis Miguel – Mexico en la Piel) haben sie dann extra für mich gesungen und mir einen schönen weiteren Aufenthalt gewünscht.

Mittlerweile kann ich behaupten, dass ich zu 95%, bis auf einige Fachausdrücke in der Schule und einiger Grammatikformen, alles auf Spanisch verstehe. Fast die ganze Stadt kennt mich und ich werde oft „el aleman“ (der Deutsche) oder „el guero“ (der Weiße) genannt. Ab und zu komme ich in unangenehme Situationen, z. B. wenn ich mit dem Hitlergruß begrüßt werde. Jedes Mal aufs Neue muss ich erklären, dass es nicht lustig ist und Deutsche in diesem Themenbereich keinen Spaß verstehen. Ein anderes Mal wurde ich gefragt, ob in Deutschland denn auch Menschen schwarzer Hautfarbe leben oder ob wir immer noch ein Bild vom „Führer“ in der Küche hängen haben. Es ist traurig, dass das einzige Wissen über Deutschland in großen teilen der Welt sich auf schnelle Autos und die Naziherrschaft beschränkt.

Die Menschen in Mexiko sind generell aufgeschlossener, hilfsbereiter und gastfreundlicher. Die von Deutschland gewohnte Ordnung, sprich dass es in allen Lebensbereichen gewisse Regeln gibt, die von allen mehr oder weniger befolgt werden, existiert hier nicht. Somit braucht man sich nicht wundern, wenn man eine halbe Stunde im Stau steht, weil „Charros“ (Cowboys) mit ihren Pferden mitten auf der Straße reiten, Taxifahrer sich anschreien und nebenbei auch noch Kinder Zeitungen verkaufen wollen. Es ist jedoch ein großer Unterschied, ob man sich in einer Klein- oder Großstadt befindet.

Mexiko hat hinter Indien die vielseitigste Natur der Welt. Sie ist einfach nur beeindruckend. Ob Wüsten, Dschungel, Canyons oder Meere – alles ist vorhanden. Mein Vater sagte mir, das selbst der faulste Arbeitlose niemals verhungern wird, da ihm die Mangos einfach auf den Kopf fallen. Zudem hat Mexiko sehr viele Bodenschätze wie Öl, Kohle oder aber auch Edelmetalle.

Das politische System hat jedoch viele Lücken. Die meisten Politiker versuchen so viel Geld wie möglich „verschwinden“ zu lassen und helfen wenig. Die oben beschriebenen Ressourcen werden nicht ansatzweise genutzt oder nur unter den wenigen Eliten aufgeteilt und kommen somit auch nicht am Volk an. Gutes Beispiel ist Carlos Slim, der die Telekommunikation beherrscht und aktuell der reichste Mensch der Welt ist. Mir ist aufgefallen, dass die Armen nur sehr wenige Chancen haben in der Gesellschaft aufzusteigen, weil oft das Geld fehlt, um gute Bildung zu „erkaufen“. Ein weiteres Problem ist Korruption und Drogenhandel. Wenn man nachts betrunken beim Auto fahren erwischt wird, ist es oft möglich, ein kleines „Trinkgeld“ zu zahlen, welches die Straftat vergessen macht. Dieses System zieht sich von den kleineren Delikten hoch bis zu Bankrauben oder Morden. Trotzdem gelingt es den meisten Mexikanern, ein glückliches Leben zu führen.      

Die Zeit vergeht extrem schnell und ich bin traurig und glücklich zugleich in gut 3 Monaten in Frankfurt zu landen.

Euer Max